Allianz: Remote Work: Revolution des Arbeitsmarktes durch hybride Arbeitsformen

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Wie ändert sich der Arbeitsalltag?

Homeoffice, New Work, Flexibilität, Selbstorganisation, Vertrauensarbeitszeit. Diese (und andere) Begriffe beschreiben, was längst nicht mehr Zukunftsmusik oder ein bloßes Phänomen ist. Der Arbeitsalltag hat sich spätestens seit Beginn der Corona-Pandemie, die insoweit als Katalysator wirkte, in den letzten zweieinhalb Jahren grundlegend gewandelt. Aufgrund schlichter Notwendigkeit hat sich gezeigt, dass der zuvor oftmals unreflektiert gelebte Arbeitsalltag (feste Arbeitszeiten, Anwesenheitspflicht etc.) in den meisten Fällen nicht notwendig und oftmals unproduktiver war, als es die neuen Arbeitsmodelle sind. Der Fokus geht weg von starren Rahmen und Vorgaben, hin zu Ergebnissen. In sehr kurzer Zeit haben sich die Angestellten an diese neue Arbeitswirklichkeit gewöhnt und möchten sie nicht mehr missen, für viele stellen sie inzwischen bereits Mindeststandards bei der Wahl des Arbeitgebers dar. Unternehmen, die diese Modelle nicht anbieten, werden es künftig bei der Auswahl neuer Bewerber und dem Ansichbinden von Talenten schwer haben.

Das Arbeitsrecht, das sich vielfach über Jahrzehnte (wenn nicht länger) vor dem Hintergrund eines klassischen Arbeitsumfelds entwickelt hat, muss sich nunmehr in Rekordzeit an diese neue Realität anpassen. Es stellen sich diverse neue Herausforderungen und Bewertungsfragen. Der Beratungsbedarf angesichts dieser vielfältigen Unsicherheiten ist enorm.

Welche Rolle spielen Arbeitszeitrahmen in den EU-Mitgliedstaaten?

Das Arbeitszeitrecht war lange Jahre beständig. Angesichts der veränderten Bedingungen der Arbeitswelt muss auch dieser Teilbereich des Arbeitsrechts angepasst werden, um der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer gerecht zu werden und damit auch die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und Organisationen zu erhalten. Vielfach haben diese auf die neuen Herausforderungen zur Arbeitszeit in den vergangenen Jahren bereits mit betrieblich flexiblen Arbeitszeitmodellen, wie Gleitzeit, flexiblen Arbeitszeitrahmen, Arbeitszeitkonten, Sabbaticals und Blockfreizeiten reagiert. Die nationalen Gesetzgeber stehen in diesem Bereich indes zumeist noch vor großen Herausforderungen, um insoweit die passenden Rahmenbedingungen und Mindeststandards zu schaffen. Die Chancen der Digitalisierung eröffnen eine Gelegenheit das Arbeitszeitrecht beweglicher zu gestalten und trotzdem den Schutz der Beschäftigten zu gewährleisten. Dies ist gleichzeitig eine Möglichkeit, die Vertrauenskultur im Unternehmen zu stärken, wenn die flexible Arbeitszeit nachvollziehbar gemessen wird (und sich so weniger Anlässe für Rechtsstreitigkeiten ergeben).

Ein Arbeitszeitrahmen regelt den frühestmöglichen Beginn und das spätestmögliche Ende der täglichen Arbeitszeit und kann bspw. zwischen 7:00 Uhr und 21:00 Uhr liegen. Dazwischen kann der Angestellte seine täglichen Arbeitsstunden frei einteilen. Damit die Koordination und Kommunikation in Arbeitsgruppen etc. funktioniert, kann darüber hinaus eine sogenannte Kernzeit festgelegt werden (bspw. zwischen 9:00 Uhr und 15:00 Uhr), in der ein Teil der Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt werden muss (Erreichbarkeit).

Je nach nationalem Recht bzw. anwendbarem Tarifvertrag gilt es dabei die täglichen bzw. wöchentlichen Höchstarbeitszeiten zu beachten (wobei ebenfalls auf die rechtliche Bewertung des Bereitschaftsdienstes zu achten ist).

Wie wurde das Homeoffice seit Corona in die Arbeitswelt integriert?

Vor den Umwälzungen des Arbeitsalltags durch die Corona-Pandemie war das Arbeiten von zu Hause aus noch selten und in den meisten Branchen eher exotisch. Dies änderte sich im März 2020 von einem Moment auf den anderen. Durch die Umstände bedingt, wurde Homeoffice für viele Angestellten zumindest eine zeitlang zum Normalfall. Rechtlich wurde dies in den Ländern der Schindhelm-Allianz durch eine mehr oder weniger lange andauernde Pflicht zur Arbeit im Homeoffice begleitet. Seitdem es die Umstände der Pandemie zulassen, wurde diese Pflicht zumeist aufgehoben, gleichzeitig wurde die Homeofficepflicht in der Folge dabei durch einen Rechtsanspruch der Angestellten auf zumindest teilweise Arbeit von zu Hause aus ersetzt. Doch auch wo es keinen Rechtsanspruch gibt, ist das Thema allgegenwärtig. Die folgenden Zahlen stammen von 2021 (die Pandemie war mithin bei den Erhebungen deutlich relevanter als aktuell) aus Deutschland (Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz), stehen aber beispielhaft für in vielen Industrienationen festzustellende Entwicklungen.

So können 56 Prozent der Jobs mindestens teilweise im Homeoffice ausgeführt werden. Es ist aber davon auszugehen, dass es de facto nur 30% der Angestellten sind, die von zu Hause arbeiten. Insoweit besteht weiterhin ein enormes Wachstumspotential.

Nur jeder Zehnte möchte nach der Pandemie komplett in die Präsenzarbeit zurückkehren. Die überwiegende Mehrheit (knapp 90 Prozent) wünscht hingegen, die Arbeit zu Hause (zumindest teilweise) beizubehalten. Dies deckt sich mit Ergebnissen anderer Erhebungen wonach die Zufriedenheit mit dem Homeoffice während der Pandemie grundsätzlich sehr hoch ist.

Der größte Vorteil für die Angestellten liegt in der verbesserten Work-Life-Balance durch den Wegfall des Arbeitswegs. Vielen Angestellten macht ihr Job zudem mehr Spaß, seit sie von zu Hause aus arbeiten. Auch fällt es vielfach leichter, Pausen oder das Sportprogramm in den Tag integrieren zu können

Nachteilig ist hingegen festzustellen, dass sich oftmals nicht die Freizeit besser mit der Arbeit verbinden, sondern die Arbeit besser in die Freizeit integrieren lässt. Viele Angestellte geben in Umfragen an, sich auch spätabends noch an den Laptop zu setzen, wenn ihnen etwas einfällt, was erledigt werden sollte. Es fällt oftmals schwer, eine Grenze zwischen Arbeit und Freizeit zu ziehen. Auch ein Mangel an sozialen Kontakten und persönlichem Austausch kann beim Vollzeit-Homeoffice auf Dauer zur Belastung werden. Viele wünschen sich daher einen gewissen Ausgleich zwischen Präsenz- und Heimarbeit. Rund 40% der Angestellten möchten die Häufigkeit des Homeoffice daher auf mehrere Tage reduzieren.

Auch auf Seiten der Unternehmen wurden die Erwartungen ans Homeoffice von den Erfahrungen oft übertroffen – trotz der widrigen Umstände während der Pandemie. So will eine Mehrheit der Firmen (54 bzw. 58 Prozent) mehr Homeoffice als vor der Corona-Krise ermöglichen. Die Vorteile für Arbeitgeber können vielfältig sein. Sie versprechen sich eine gesteigerte Attraktivität im Wettbewerb um geeignete Fachkräfte, die Einsparung von Büroflächen und zufriedenere Beschäftigte. Studien zeigen auch, dass Beschäftigte nach dem Wechsel ins Homeoffice teilweise messbar produktiver arbeiten.

Rechtlich können sich in diesem Bereich je nach nationaler Rechtslage insbesondere Herausforderungen im Bereich Verhütung von Gesundheitsrisiken am Arbeitsplatz, Datenschutz und Arbeitszeit stellen.

Ist die 4-Tage Arbeitswoche die Zukunft oder bereits Gegenwart?

Im Bereich neuer Arbeitsformen findet auch die 4-Tage-Woche immer mehr Beachtung. Dabei handelt es sich keinesfalls nur um einen Trend, das Modell ist bereits seit vielen Jahren in der Diskussion und wurde in diversen Ländern ausführlich getestet. Der Gedanke hinter der verkürzten Woche ist, dass die Angestellten bei vollem Gehalt an vier statt fünf Tagen arbeiten (wobei die Gesamtwochenarbeitszeit entsprechend verkürzt wird). Sie sollen dadurch zufriedener, motivierter, konzentrierter und leistungsfähiger werden. Zudem sollen Unternehmen mit der Vier-Tage-Woche neue Jobs schaffen können.

Island hat seit 2015 in einem großen Experiment die Auswirkungen der verkürzten Wochenarbeitszeit genauer untersucht und dabei die 5-Tage-Woche mit der 40-Stunden-Woche abgeschafft. Die folgenden fünf Erkenntnisse ließen sich ableiten:

  • Leistung und Produktivität sind bei der 4-Tage-Woche konstant geblieben.
  • Die Anzahl der Überstunden ist im Vergleich zur 5-Tage-Woche nicht übermäßig angestiegen.
  • Eine Umstellung auf die 4-Tage-Woche ist nicht so aufwändig wie befürchtet.
  • Die Angestellten waren ohne 40-Stunden-Woche insgesamt weniger krankgeschrieben.
  • Durch die 4-Tage-Woche nutzten viele Angestellte ihre Freizeit sinnvoll, zum Beispiel für Sport.

Auch in anderen Ländern gab es ähnliche Projekte mit vergleichbaren Ergebnissen. So testete zum Beispiel Microsoft in Japan im Sommer 2019 das Konzept und konnte positive Ergebnisse feststellen: Die Produktivität steigerte sich durch die 4-Tages-Woche um 40 Prozent.

Auch in Europa ist das Thema aktuell, es gibt verschiedene Versuche hierzu. In Spanien gibt es bspw. diverse Subventionsprogramme für Unternehmen, die die 4-Tage-Arbeitswoche umsetzen.

Von staatlichen Programmen und Förderungen abgesehen, stellen sich in diesem Bereich weniger arbeitsrechtliche (insoweit gibt es wenige Besonderheiten), als unternehmerische und wirtschaftliche Fragen, die jeder Arbeitgeber für sich beantworten muss.

Welche steuerlichen Aspekte sind bei grenzübergreifendem Remote Work zu beachten?

Erfolgt die Arbeit durch Remote Work aus einem anderen Land, sind verschiedene steuerrechtliche Aspekte zu berücksichtigen.

Je nach konkreter Unternehmensaktivität und den vom Arbeitnehmer im Ausland durchgeführten Tätigkeiten kann es für den Arbeitgeber notwendig sein, eine ertragsteuerliche oder eine bloße lohnsteuerliche Betriebsstätte im Ausland anzumelden (ggf. verknüpft mit fortlaufenden buchhalterischen Pflichten). Dies sollte im Einzelfall vor Beginn des Homeoffice geprüft werden. Der Arbeitgeber wird hierzu regelmäßig eine Steuernummer benötigen.

Bei einer länger andauernden Arbeit im Homeoffice aus dem Ausland (relevant wird insoweit je nach nationaler Rechtslage regelmäßig die 183-Tage Frist werden) kann es sein, dass der Angestellte im Arbeitsland steuerlich ansässig wird. Dies begründet zumeist nicht nur die Pflicht, seine Einkommensteuer in diesem Land zu zahlen, sondern je nach nationaler Rechtslage auch verschiedene weitere Steuer- und Informationspflichten für steueransässige Personen (Offenlegung Auslandsvermögen, Vermögenssteuer wo vorhanden etc.).

Bevor daher Angestellte ihrer Arbeit im Homeoffice aus dem Ausland nachkommen, sollten sich beide Seiten (auch der Arbeitgeber) entsprechend steuerlich beraten lassen.

Fazit

Die neue Arbeitswelt bietet eine Vielzahl an neuen Arbeitsmodellen. Wie stets bei Umwälzungen in einem Bereich, sind diese mit diversen Chancen, aber auch Herausforderungen verbunden. Arbeitsrechtlich besteht insoweit großer Beratungsbedarf, als die Vorgaben der nationalen Gesetzgeber den Entwicklungen vielfach noch hinterherhinken und es so oftmals großen Gestaltungsspielraum gibt.

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