Österreich: Oö. Raumordnungsgesetz-Novelle 2021 (Teil I)

Einleitung

Mit 01. Jänner 2021 ist die Oö. Raumordnungsgesetz-Novelle in Kraft getreten. Damit sind umfangreiche Änderungen im Raumordnungsrecht einhergegangen, welche im Begutachtungs- und Gesetzgebungsverfahren bis zuletzt zu vielschichtigen Diskussionen geführt haben. In seiner Sitzung am 12. November 2020 hat der Oö. Landtag die Novelle mit Stimmenmehrheit beschlossen. Das Landesgesetzblatt zur entsprechenden Änderung des Oö. Raumordnungsgesetzes wurde am 18.12.2020 mit Wirkung zum folgenden Monatsersten kundgemacht. Aufgrund der hohen Relevanz für Wirtschaft, Landwirtschaft wie auch Privatpersonen möchten wir die maßgeblichen Neuerungen der Novelle in mehreren Teilen jeweils an dieser Stelle erläutern.

Die wichtigsten Änderungen der Novelle des Raumordnungsrechts in Oberösterreich sind ua folgende:

  • die Einführung eines Mindestmaßes an baulicher Nutzung für Geschäftsgebiete (Festlegung einer Mindestanzahl oberirdischer Geschoße)
  • die Neuausrichtung des örtlichen Entwicklungskonzeptes
  • die Schaffung einer eigenen Widmungskategorie für den sozialen Wohnbau in § 22 Abs 1a Oö ROG
  • die Neuregelung und Neustrukturierung des § 30 Oö ROG („Grünland“)

Dieser erste Beitrag beschäftigt sich mit den Änderungen für Geschäftsbauten in Geschäftsgebieten.

Auswirkungen auf Nahversorger

Für Handelsbetriebe hat die Oö. Raumordnungsgesetz-Novelle beträchtliche Auswirkungen, die sie bei hinkünftigen Bauprojekten zu berücksichtigen haben. Konkret wurden die §§ 23 und 24 Oö. ROG novelliert.

Bisheriger Status quo

Bis 01.01.2021 durften Geschäftsbauten – ausgenommen in Kerngebieten bis 1.500 m² Gesamtverkaufsfläche je Bauplatz – ausschließlich in für Geschäftsbauten vorgesehenen Gebieten errichtet werden. Dabei durfte die Gesamtverkaufsfläche das im Flächenwidmungsplan allenfalls festgelegte Höchstausmaß nicht übersteigen. Als Geschäftsbauten galten Handelsbetriebe, deren Gesamtverkaufsfläche mehr als 300 m² beträgt.

Bis jetzt bestanden raumordnungsrechtlich keine Beschränkungen hinsichtlich der Errichtung von Parkplätzen. Zudem existierten bisher auch keine Vorschriften im Oö ROG, welche die Bauweise von Geschäftsbauten determinierten.

Änderungen durch die Oö. Raumordnungsgesetz-Novelle

1. Festlegung Höchstausmaß Gesamtverkaufsfläche:

§ 23 Abs 3 Oö ROG wurde dahingehend ergänzt, dass im Falle einer Widmung für Geschäftsbauten die Gemeinde im Flächenwidmungsteil nun jedenfalls festzulegen hat, welches Höchstausmaß an Gesamtverkaufsfläche Geschäftsbauten, die darauf errichtet werden sollen, haben dürfen. Zudem ist eine Beschränkung oder der Ausschluss eines bestimmten Warenangebots zulässig.

2. Vorgabe Mehrgeschoßigkeit:

Darüber hinaus wird die neue Regelung des § 23 Abs 3a Oö ROG eingeführt, wonach im Gebiet für Geschäftsbauten mit einer im Flächenwidmungsteil festgelegten Gesamtverkaufsfläche von mehr als 800 m² nur Gebäude mit mindestens drei oberirdischen Geschossen zulässig sind. Das zweite und dritte oberirdische Geschoß hat mindestens 75% der Bruttogrundfläche des Erdgeschoßes aufzuweisen, um als Geschoß im Sinn dieser Bestimmung zu gelten. Die Ausnahme von Märkten bis 800 m2 soll – wie im Ausschussbericht noch einmal klargestellt wurde - die Versorgung im ländlichen Raum insbesondere mit Gütern des täglichen Bedarfs unterstützen.

Der Vorgabe der Mehrgeschoßigkeit kann auch durch die Festlegung einer kombinierten Widmung (Kombination mit anderen Widmungen gemäß § 22 Oö ROG, zB Wohngebiete) bzw. einer geschoßweisen Widmung (verschiedene Widmungen für räumlich übereinanderliegende Ebenen) entsprochen werden. Die Zulässigkeit einer kombinierten bzw. geschoßweisen Widmung soll klarstellen, dass nicht alle Geschoße zwingend für Verkaufsflächen genutzt werden müssen.

Die Umsetzung der Bestimmung, Bauten im Geschäftsgebiet zumindest dreigeschossig auszuführen, wird vor allem im städtischen Bereich keine gröbere Schwierigkeit darstellen. In anderen Bereichen, insbesondere im ländlichen Raum, kann dies jedoch anders aussehen. Hingewiesen wird daher – neben der Ausnahme für Nahversorger für eine Fläche von 800 m2 – auf einen weiteren Ausnahmetatbestand: Wenn sonst „siedlungsstrukturelle Nachteile“ bzw. „Beeinträchtigungen des Orts- und Landschaftsbildes“ zu erwarten sind, kann im Flächenwidmungsteil eine geringere Geschoßanzahl allenfalls in Verbindung mit einer Bebauungsdichte festgelegt werden.

Damit werden offenkundig individuelle Anpassungen an die örtlichen Gegebenheiten ermöglicht.

Näherer Klärung wird insbesondere die Frage bedürfen, was alles unter „siedlungsstrukturellen Nachteilen“ bzw. „Beeinträchtigungen des Orts- und Landschaftsbildes“ zu subsumieren ist. Unseres Erachtens sind unter „siedlungsstrukturelle Nachteile“ etwa mögliche Benachteiligungen einzelner (zersiedelter) Siedlungsgebiete durch einen Mangel an Nahversorgern zu verstehen, der dadurch entstehen könnte, dass sich aufgrund der Vorgabe der Dreigeschoßigkeit für ein solches Gebiet ansonsten kein Nahversorger finden würde. Zudem wird in dünner besiedelten Regionen wohl auch vielfach kein Bedarf für eine mehrgeschoßige Verkaufsfläche bestehen. In dünn besiedelten Gebieten wird in der Regel keine Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes durch ein- oder zweigeschoßige Geschäftsbauten zu erwarten sein, wohingegen dies bei dreigeschoßigen Supermärkten schon der Fall sein könnte. Dies sind nur erste Erwägungen zu Konstellationen, welche unseres Erachtens unter diese Begrifflichkeiten und sohin den Anwendungsbereich des Ausnahmetatbestandes fallen könnten. Im Rahmen des Verfahrens zur Erlassung des Flächenwidmungsplans, in dessen Flächenwidmungsteil eine allenfalls geringere Geschoßzahl zu verordnen ist, werden diese Umstände, wenn die Ausnahme zum Tragen kommen soll, jeweils zu prüfen und zu begründen sein.  

3. Wegfall der Zusammenzählregel:

§ 24 Abs 1 OÖ ROG in der Fassung vor der Novelle 2021 hat vorgesehen, dass die Verkaufsflächen mehrerer Handelsbetriebe, die in einem räumlichen Naheverhältnis zueinander stehen oder eine betriebsorganisatorische, funktionelle oder wirtschaftsstrukturelle Einheit bilden, zur Ermittlung der Gesamtverkaufsfläche zusammenzuzählen sind. Diese „Zusammenzählregel“ wurde nun aus pragmatischen Überlegungen entfernt, weil sie keine praktische Bedeutung mehr hat. Bis zur Änderung des Oö. ROG im Jahre 2005 konnten Handelsbetriebe bis 600 m2 bzw. 1.000 m² Verkaufsfläche in praktisch jeder Widmungskategorie errichtet werden, ohne dass die Gemeinden bzw. die Aufsichtsbehörde darauf Einfluss nehmen konnten. Um zu verhindern, dass derartige Betriebe auf nebeneinander liegenden Bauplätzen gleich einem Einkaufszentrum errichtet werden, wurde die Zusammenzählregel eingeführt. Infolge der Änderung des Oö. ROG im Jahre 2005 ist für Verkaufsflächen über 300 m² in jedem Fall eine entsprechende Widmung der Gemeinde erforderlich, weshalb die „Zusammenzählregel“ in der Praxis obsolet wurde.

4. Beschränkung der Parkplätze:

Die Regelung des § 24 Oö. ROG wurde dahingehend ergänzt, als die Errichtung von Stellplätzen für Kraftfahrzeuge auf ebenerdigen Freiflächen – soweit die im Flächenwidmungsteil festgelegte Gesamtverkaufsfläche 800 m2 überschreitet – ausgenommen in Kerngebieten nunmehr nur im Ausmaß der erforderlichen Pflichtstellplätze zulässig ist. Sofern die im Flächenwidmungsteil festgelegte Gesamtverkaufsfläche 800 m² unterschreitet, ist die Errichtung von Stellplätzen für Kraftfahrzeuge auf ebenerdigen Freiflächen bis zum eineinhalbfachen Ausmaß der erforderlichen Pflichtstellplätze, maximal jedoch 30 Stellplätze zulässig. Die Begünstigung von Betrieben mit einer Verkaufsfläche von unter 800 m² soll den Gesetzesmaterialien zufolge zum einen Anreize für kleinere Verkaufsflächen schaffen, zum anderen scheint die verpflichtende Errichtung von Tiefgaragen oder Parkdecks bei vor allem im ländlichen Raum üblichen kleineren Verkaufsflächen überzogen. Der Umstand, dass die Errichtung von einem Handelsbetrieb zuzuordnenden Stellplätze nur in der Widmung „Geschäftsgebiet“ zulässig ist, soll einer Umgehung vorbeugen.

Bestehender Baukonsens wird nicht beeinträchtigt

Geschäftsbauten, die nach den bisher geltenden Vorschriften des Oö ROG vor der Novelle rechtmäßig errichtet oder bewilligt wurden und nach den nunmehrigen Anforderungen aufgrund der Oö Raumordnungsnovelle 2021 nicht mehr errichtet werden dürften, können  bestehen bleiben bzw. im Rahmen der erteilten Bewilligung errichtet werden. Auch Zu- und Umbauten an rechtmäßig errichteten Geschäftsbauten sind zulässig, sofern damit keine Änderung der Flächenwidmung verbunden ist. Dies mit Ausnahme der Erhöhung der zulässigen Gesamtverkaufsfläche (eine dadurch bedingte Änderung des Flächenwidmungs-plans wäre sohin unschädlich).  



Autor: Edwin Scharf